W. als Reservist eingezogen |
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20.9.38 Meine liebe Anneliese, heute habe ich mich aber sehr
gefreut, als Dein lieber Brief kam. Es ist für mich sicher noch schöner von
Dir Post zu bekommen, als wenn Du von mir bekommst. Wir liegen hier, an dem sonstigen
Drill gemessen, auf der Bärenhaut - haben nur Spezialausbildung für den
Eventualfall, leider keine [ …? ] Sache. Aber wie ich raushöre, wird hier im
Westen auf alle Fälle Ruhe1) bleiben. Na, und da ist die Hauptsache. Wir gehen viel spazieren, lassen
uns mit Frankfurter Dirndeln2) knipsen und lernen Appelwein schätzen3). Der ist billig und schlecht, aber dafür bekommt
man Magenschmerzen davon0). Das0) Du so schwer und lang arbeiten mußt tut mir leid.
Aber das ist nicht zu ändern, Du wirst es sicher schaffen. Für heute wünsche ich Dir alles
Gute und werde wieder von mir hören lassen. Falls vom Geschäft jemand fragt,
hast Du die Nachricht, daß Du arbeiten mußt, erst nach meiner Abreise
bekommen4). Es küßt Dich 1000 mal Werner Gefreiter |
Siemensstadt, d. 18.9.1938 Mein lieber, lieber Werner, Vom Sonntag, dem ersten ohne1) meinen Liebling, will ich dir
herzliche Grüsse senden, hoffentlich erreicht Dich der Brief noch. Wir haben
heute nochmal Hochsommerwetter, für unser Freundschaftsspiel wie geschaffen.
Jetzt haben wir gerade Mittagspause, um 1/2 3h geht's weiter. Schade, dass Du
nicht dabei sein kannst, mir kommt alles so sinnlos vor, was ich ohne Dich
beginne, auch das Tennisspielen. – Hast Du das Gewünschte inzwischen
erhalten? Habt Ihr sehr viel und anstrengenden Dienst? Schreibe mal, ich
möchte doch gern wissen, wie das ist. Ich habe in der vergangenen Woche, solange ich bei
Siemens bin, immer bei Mutti geschlafen, habe also immer Deine Post gleich in
Empfang genommen; herzlichen Dank für die Äppelweinkarte. Wie ist es denn in
Frankfurt2)? Habt Ihr
auch Zeit, Euch die neue Umgebung anzusehen? Lieber Werner, ich halte weiter
die Daumen, dass alles gut geht. Meine besten Wünsche begleiten Dich. Für heute sei von mir gegrüsst und
geküsst, Liebster, und denk' immer an Deine Anneliese |
In meinem Block möchte ich in loser Folge Erfahrungen, Träume und Gedanken zu Jahreszeiten, Befindlichkeiten und aktuellen Fragen aufgreifen und diskutieren. Vielleicht erhalte ich die Resonanz, die ich mir wünsche, das wäre schön.
Frontbriefe
Auf dieser Seite möchte ich eine Serie beginnen, die auf einem Schriftwechsel basiert, den ein Ehepaar während des zweiten Weltkrieges geführt hat.
Ein guter Freund machte diesen Fund auf einem Dresdner Trödelmarkt.
Mehrere Kisten chronologisch geordneter Briefe, die sich ein junges Ehepaar während des Zweiten Weltkrieges geschrieben hatte. Für einen Hunderter wechselte dieser Schatz den Besitzer.
Während eines langweiligen Kuraufenthaltes habe ich diese Briefe digitalisiert und fühlte mich dabei in diese Zeit mit all ihren Problemen versetzt.
Wir leben heute in Sicherheit, eigentlich in einer Spaßgesellschaft. In den Zeiten des Krieges ging es um das blanke Überleben. Aber auch die ganz alltäglichen Dinge werden beschrieben und so ist dieses Konvolut ein Spiegel der Lebensverhältnisse in der Zeit von 1938 bis 1945.
Schriftwechsel Werner und Anneliese 1938 - 1945
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