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Frontbriefe

Auf dieser Seite möchte ich eine Serie beginnen, die auf einem Schriftwechsel basiert, den ein Ehepaar während des zweiten Weltkrieges geführt hat.
Ein guter Freund machte diesen Fund auf einem Dresdner Trödelmarkt.
Mehrere Kisten chronologisch geordneter Briefe, die sich ein junges Ehepaar während des Zweiten Weltkrieges geschrieben hatte. Für einen Hunderter wechselte dieser Schatz den Besitzer.
Während eines langweiligen Kuraufenthaltes habe ich diese Briefe digitalisiert und fühlte mich dabei in diese Zeit mit all ihren Problemen versetzt.
Wir leben heute in Sicherheit, eigentlich in einer Spaßgesellschaft. In den Zeiten des Krieges ging es um das blanke Überleben. Aber auch die ganz alltäglichen Dinge werden beschrieben und so ist dieses Konvolut ein Spiegel der Lebensverhältnisse in der Zeit von 1938 bis 1945.

Schriftwechsel Werner und Anneliese 1938 - 1945
 

W. als Reservist eingezogen

 

20.9.38

Meine liebe Anneliese,

heute habe ich mich aber sehr gefreut, als Dein lieber Brief kam. Es ist für mich sicher noch schöner von Dir Post zu bekommen, als wenn Du von mir bekommst.

Wir liegen hier, an dem sonstigen Drill gemessen, auf der Bärenhaut - haben nur Spezialausbildung für den Eventualfall, leider keine [ …? ] Sache. Aber wie ich raushöre, wird hier im Westen auf alle Fälle Ruhe1) bleiben. Na, und da ist die Hauptsache.

Wir gehen viel spazieren, lassen uns mit Frankfurter Dirndeln2) knipsen und lernen Appelwein schätzen3). Der ist billig und schlecht, aber dafür bekommt man Magenschmerzen davon0).

Das0) Du so schwer und lang arbeiten mußt tut mir leid. Aber das ist nicht zu ändern, Du wirst es sicher schaffen.

Für heute wünsche ich Dir alles Gute und werde wieder von mir hören lassen.

Falls vom Geschäft jemand fragt, hast Du die Nachricht, daß Du arbeiten mußt, erst nach meiner Abreise bekommen4).

Es küßt Dich 1000 mal
Dein

Werner Gefreiter

 

Siemensstadt, d. 18.9.1938

Mein lieber, lieber Werner,

Vom Sonntag, dem ersten ohne1) meinen Liebling, will ich dir herzliche Grüsse senden, hoffentlich erreicht Dich der Brief noch. Wir haben heute nochmal Hochsommerwetter, für unser Freundschaftsspiel wie geschaffen. Jetzt haben wir gerade Mittagspause, um 1/2 3h geht's weiter. Schade, dass Du nicht dabei sein kannst, mir kommt alles so sinnlos vor, was ich ohne Dich beginne, auch das Tennisspielen. –

Hast Du das Gewünschte inzwischen erhalten? Habt Ihr sehr viel und anstrengenden Dienst? Schreibe mal, ich möchte doch gern wissen, wie das ist.

Ich habe in der vergangenen Woche, solange ich bei Siemens bin, immer bei Mutti geschlafen, habe also immer Deine Post gleich in Empfang genommen; herzlichen Dank für die Äppelweinkarte. Wie ist es denn in Frankfurt2)? Habt Ihr auch Zeit, Euch die neue Umgebung anzusehen? Lieber Werner, ich halte weiter die Daumen, dass alles gut geht. Meine besten Wünsche begleiten Dich.

Für heute sei von mir gegrüsst und geküsst, Liebster, und denk' immer an

Deine Anneliese

 


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